FORMULATION

Die Entwicklung der Formulation:

„Viele Gebilde der Formulation entstehen aus verschiedenen Entwicklungsabläufen und bilden deren Treffpunkt genauso wie manches Gebilde Ausgangspunkt für Entwicklungen in verschiedene Richtungen ist. Der Prozess ist nicht gradlinig, sondern besteht aus einer Folge von Verzweigungen und Verknüpfungen…“ ARNO STERN. 2005, S. 53.

Giruli und Punktili
Punktili Giruli

Das ganz kleine Kind bringt die Spuren seiner Bewegungen auf das Papier. Klopft es mit der Farbe auf das Papier, so entstehen PUNKTILI, viele kleine Punkte. Dreht es die Hand, so entstehen GIRULI, die aussehen wie Knäule. Diese Bewegungen sind motorisch bedingt und das bleiben sie auch später, allerdings in sicherer, verlangsamter Weise. Erst wenn die Bewegungen durch viele lustvolle Wiederholungen gereift sind, kann das Kind gerade Strichen ziehen und miteinander verbinden und Figuren bilden, deren Umriss winklig ist…

Erstfiguren

Giruli Kreis QuadratMit größter Hingabe wiederholt und ‚übt‘ das Kind die GIRULI und es entsteht daraus, mit zunehmender Kontrolle über die Bewegungen der Hand (und viele Zwischenstufen), eine Spur die Arno Stern als HAKEN bezeichnet. Daraus wird, als erste wahre Form, die RUNDE FIGUR, die sich nach und nach zum QUADRAT entwickelt – wieder mit vielen Zwischengebilden und man sieht dem Quadrat seine Herkunft noch lange an… Aus dem Haken kann in dieser Phase auch die TROPFEN-Figur entstehen, von der aus über die Entwicklung zum DREIECK weiterführt und auch zu weiteren Gebilden… Die Erstfiguren liegen in ihrer Form und (Abfolge der) Entwicklung gewissermaßen vorbestimmt in uns und sind den Menschen aller Völker und Kulturen gemeinsam. Es ist ein Bedürfnis und ein reines Vergnügen, die Erstfiguren zu zeichnen.

Winkel Kreur Quadrat

Bilddinge und Trazate  

Wenn für das Kind aus einer Kreis-Figur ein „Ball!“ wird, wird die Figur als BILD-DING bezeichnet. Das Kind hat nun eine Ähnlichkeit zwischen den vertrauten, gemalten Figuren (die jetzt TRAZATE genannt werden) und den Dingen in seiner Umgebung entdeckt. Was für ein Erlebnis für das Kind! ★

Wenn das Kind mit der Form BOGEN spielt, malt es manchmal deswegen einen Regenbogen, oder eine Tür, die wie ein Bogen aussieht oder ein Mädchen, dessen Haare als Bogen über dem Kopf dargestellt sind. Alle drei Objekte dienen beispielhaft nur dem Spiel mit der Figur Bogen. Die Erstfiguren bleiben in den BILD-DINGEN bestehen, die Formen übernehmen nun eine ‚Rolle‘. Jede Figur kann verschiedene Gegenstände einkleiden, z.B. die Grätenfigur ist eingekleidet in das Bildding Baum, das Bogen-Trazat ist eingekleidet in das Bildding Regenbogen, die Strahlenfigur ist eingekleidet in das Bildding Sonne…
Malt ein Kind aus einem bestimmten Erlebnis, aus seiner Erfahrung heraus, beispielsweise einen Baum, kann z.B. das Trazat „Kreis“ oder „Dreieck“ in die Form eines Baumes eingekleidet werden.
Das Mal-Spiel ist nun als Zusammenspiel von Wissen und Erfahrungen beeinflusst, und von den Formen die innerlich in uns gespeichert sind und in der Erstfiguren-Phase ent-wickelt wurden…

Bogen im Regenbogen

Das Kind spielt lange Zeit mit den ‚Reqiusiten‘ der Formulation, es richtet sich natürlich im Spielraum des Bildes eine Welt ein – „die selbst erbaute Welt ist immer die Richtige: eine nie bezweifelte Welt, von keinem fremden Spielverderber in Frage gestellt“… ARNO STERN. 2005, S.57.

Die Darstellung der sichtbaren Wirklichkeit wird zunehmend naturalistisch und detailreich. Dem älteren Kind und Jugendlichen geht es nun zunehmend darum, das Erlebte und die Umgebung möglichst präzise in einer Zeichnung wiederzugeben. Die Bild-Dinge eignen sich perfekt dazu.

Hauptfiguren

Es schließt sich die Phase der Hauptfiguren der Formulation an. Ihre Entstehung ist wohl untrennbar mit dem MALORT verbunden, „denn nur hier lässt sich der zur Vernunft heranwachsende so hemungslos auf das Unvernünftigsein ein – auf das Unbeabsichtigte, nicht aber Zufällige.“ ARNO STERN. 2005, S.59

HauptfigurDie HAUPTFIGUREN drängen sich uns gewissermaßen auf, wie die Erstfiguren. Sie zu malen macht uns Freude, sie fließen aus uns heraus und erfüllen uns. Auch sind sie zumeist gar nicht gegenständlich eingekleidet. Mit ihnen spielen Erwachsene und ältere Jugendliche. Man findet dort die Grundformen der Erstfiguren, die bei der Formulation nie verloren gehen, z.B. den Bogen. Ein weiteres Beispiel für eine Hauptfigur ist der Rhythmus. Er schwingt durch den Raum, er dehnt sich aus und wiederholt sich. Manchmal sind ein Baum oder andere Pflanzen die Einkleidung des Rhythmus. Oder man findet ihn in schwingenden Licht-, Feuer- oder Wasser-Räumen…

Hauptfiguren

 

Es gibt drei Grundprinzipien der Formulation. Das sind [1.] die Wiederholung verschiedener Äusserungen; [2.] die Gleichzeitigkeit verschiedener Äusserungen (der Einfluss der Vernunft und unserer inneren ‚Programmierung‘) und [3.] die Evolution (Weiterentwicklung von Formen).

Arno Stern hat die Formulation in wirklich vielen Aufsätzen und Vorträgen beschrieben. Das ganze Wissen darüber kann hier nur sehr vereinfacht und ganz unvollständig in Grundzügen wiedergegeben werden… Wenn es dich interessiert, findest du beispielsweise in den Kapiteln „DIE FORMULATION“ Arno Stern, 2015. S. 30-88 und „URSPRUNG UND ENTWICKLUNG DER FORMULATION“, ebd, S. 89-108, viele weitere Informationen und Abbildungen…